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16. Heilpädagogisches Forum

Allgemeines

Thema: "Epilepsie: Basiswissen, Anfallsklassifikation und Erste-Hilfe-Maßnahmen"

Referent: Thomas Urban

Termin: 03.02.2012

(Text: Jeanne Neumann, Patrick Fischer)

Am 03.02.2012 fand das 16. Heilpädagogische Forum am LVR-Berufskolleg in Bedburg-Hau statt.

Für den Vortrag konnte Herr Thomas Urban gewonnen werde. Er informierte uns umfangreich über das diesjährige Thema „Epilepsie".

Herr Urban ist Gesundheits- und Krankenpfleger mit Zusatzausbildung Epilepsie der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie. Er verfügt über eine langjährige Berufserfahrung im Fachbereich der Neurologie und Epileptologie. Derzeit ist er am Evangelischen Krankenhauses Unna angestellt. Zusätzlich ist Herr Urban seit 2010 als Dozent in der Mitarbeiterschulung zum Thema Epilepsien tätig.

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1. Was sind Epilepsien?

Zu Beginn wurden unterschiedliche Definitionen und Bezeichnungen der Krankheit vorgestellt.

Definition: „Eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen des Gehirns aufgrund vermehrter, gleichzeitiger Entladungen, wobei die auftretenden Störungen davon abhängen, welche Aufgabe die beteiligten Nervenzellen normalerweise haben." (Dr. G. Krämer)

Das Wort Epilepsie stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „gepackt, ergriffen oder angefallen werden". Im Laufe der Geschichte, haben sich viele Bezeichnungen für diese Krankheit gefunden: Zuchtrute Christi; Dämonisches Leiden; Schwere Not; Fallsucht; Heilige Krankheit usw.

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Was sind epileptische Anfälle?

Definition: „Epileptische Anfälle sind relativ kurz dauernde, plötzlich auftretende und unwillkürlich ablaufende Änderungen des Bewusstseins, Verhaltens, Wahrnehmens, Denkens, Gedächtnisses oder der Anspannung der Muskulatur aufgrund einer vorübergehenden Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn in Form kurz dauernder, vermehrter und gleichzeitig erfolgender Entladung von Nervenzellen."

Was geschieht bei epileptischen Anfällen an den Nervenzellen?

„Ein epileptischer Anfall beruht auf langen Spannungsimpulsen (epileptische Depolarisation), die in den Zellkörpern entstehen. Die langen Spannungsimpulse werden in den Zellausläufern in maximal häufige kurze Spannungsimpulse umgewandelt. (…) Warum Nervenzellen beginnen epileptische Depolarisation zu bilden, ist nur zum Teil bekannt." (U. Altrup, U. Specht, Q1, S. 10)

Was geschieht bei einem epileptischen Anfall im Gehirn?

Das Auftreten abnormer Impulsserien kann sich auch auf die benachbarten Nervenzellen übertragen. Bei ausreichend beteiligten Nervenzellen kann dies zu einem epileptischen Anfall führen.

Wie häufig sind Epilepsien?

Rund 1% aller Menschen leiden unter dieser Krankheit. Jährlich erkranken 40-70 Menschen pro 100 000 Einwohner pro Jahr in Europa und Nordamerika. Damit sind Epilepsien so häufig wie Krankheiten wie Diabetes mellitus. Auffällig ist, dass 20% aller Menschen mit einer geistigen Behinderung auch Epileptikerinnen bzw. Epileptiker sind.

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2. Was sind die Ursachen von Epilepsien?

  • 1. Idiopathische Epilepsien (ca. 20%)
  • 2. Symptomatische Epilepsien (ca. 30%)
  • 3. Kryptogene Epilepsien (ca. 20%)

Idiopathische Epilepsien:

  • Ursache weiterhin unklar
  • Familiäre Disposition
  • Krankheitsbeginn meist in der Kindheit/Jugend
  • Möglicherweise bedingt durch eine angeborene Veränderung der Nervenzellen
  • Meist Epilepsien mit primär generalisierten Anfällen
  • Häufig mit relativ guter Behandlungsprognose

Symptomatische Epilepsien:

Symptomatischen Epilepsien liegt meist eine Hirnerkrankung zu Grunde. Zusätzlich sind weitere Behinderungen möglich. Die Veranlagung spielt hierbei nur eine geringe Rolle.

  • Durchblutungsstörungen des Gehirns (Apoplex/Hirnblutungen)
  • Hirnschädigungen im Rahmen der Geburt
  • Gehirntumore
  • Degenerative Erkrankungen (z.B. Alzheimer)
  • Schädel-Hirn-Traumen
  • Entzündungen des Gehirns

Kryptogene Epilepsien:

Die Ursache für diese Krankheitsform ist bislang unbekannt. Man vermutet, dass auch hier eine Hirnschädigung vorliegt. Sie ähnelt vermutlich der symptomatischen Epilepsie.

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3. Anfallsbeobachtungen und Anfallsbeschreibungen

Es gibt fokale und generalisierte Anfallsformen.

Fokale (partielle Anfälle):

a) Man unterscheidet zwischen vier verschiedenen einfach fokalen Anfällen:

  1. mit motorischen Symptomen, beispielsweise dem Muskelzucken
  2. mit sensiblen oder sensorischen Symptomen. Dazu gehören Kribbel- oder Taubheitsgefühl, Gerüche, Geschmackswahrnehmungen oder optische Wahrnehmungen.
  3. mit vegetativen Symptomen. Diese zeigen sich unter anderem durch eine Veränderung des Herzschlags, der Atmung oder der Hautfarbe.
  4. mit psychischen Symptomen, wie Angst- und Glücksgefühl, deja-vu etc.

b) Komplexe fokale Anfälle

Bei komplex fokalen Anfällen kommt es hier zu Bewusstseinsstörungen. Man unterscheidet sie:

  1. mit einfach fokalem Beginn
  2. mit einer Bewusstseinsstörung zu Beginn

c) Fokale Anfälle, die sich sekundär zu generalisierten Anfällen entwickeln

Generalisierte Anfälle

Auch bei den generalisierten Anfällen unterscheidet man zwischen unterschiedlichen Formen:

  1. Absencen: Typische Absencen; diese dauern meist nur wenige Sekunden. Kennzeichnend hierfür sind fehlende Ansprechbarkeit und nachfolgende Erinnerungslücken. Sie beginnen und enden plötzlich. Man unterscheidet sie in einfache (10%) und komplexe (90%) Absencen. Atypische Absencen dauern in der Regel 1-2 Minuten.
  2. Myoklonische Anfälle: diese Anfälle sind sekundenbruchteilige Muskelzuckungen. Sie treten arrhythmisch und beidseitig auf. Das Bewusstsein bleibt erhalten.
  3. Klonische Anfälle: sie gehen mit rhythmischen Muskelzuckungen einher und werden meist von Bewusstlosigkeit begleitet. Sie treten meist in Kombination als tonisch-klonische Anfälle auf.
  4. Tonische Anfälle: es kommt hierbei zu einer plötzlichen Anspannung der Muskulatur und zu einer Bewusstseinsstörung. Dabei kommt es häufig zu Stürzen. Sie dauern zwischen 10 Sekunden bis 1 Minute.
  5. Tonisch-Klonische Anfälle: sie laufen in drei Phasen ab. Beginn: Versteifung der Muskulatur (tonisch) und zum Verlust des Bewusstseins. Dauer ca. 10-20 Sec. Danach folgt die klonische Phase mit rhythmischen Muskelzuckungen am gesamten Körper. Dazu kommt es zu einer Blaufärbung der Haut (Zyanose). Diese Phase dauert ca. 30 – 60 Sekunden. Die Terminalphase beendet den Anfall und die Atmung setzt wieder ein. Diese Phase ähnelt einem tiefen Schlaf und dauert von einigen Minuten bis zu mehreren Stunden. Während des Anfalls kann es zum Einnässen, Einkoten sowie zum Zungenbiss kommen.
  6. Atonischer Anfall: Er ist gekennzeichnet durch eine plötzliche Abnahme der Muskelspannung.

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4. Erste Hilfe bei einem Anfall

Beispiel anhand eines generalisierten, tonisch-klonischen Anfalls

  • Ruhe bewahren
  • Anfallsgeschehen genau beobachten; Anfallsdauer beachten
  • Bereits bei bekannten, ersten Anzeichen, den Betroffenen sicher hinlegen
  • Gefahrenquellen entfernen oder den Betroffenen aus der Gefahrenzone bringen
  • Einen weichen Gegenstand unter den Kopf legen
  • Arzt anrufen, wenn der Anfall länger als 10 Minuten dauert oder mehrere Anfälle hintereinander kommen.

Nach dem Anfall

  • Den Betroffenen nicht alleine lassen
  • Den Schlafenden in die stabile Seitenlage bringen
  • Beengende Kleidung öffnen

Wir bedanken uns bei Herrn Urban für den informativen und praxisnahen Vortrag.

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